Von hier an bunt | so queer ist das grüne Landtagswahlprogramm

Beitrag der LAG Queer NRW

Auf Bundesebene haben wir mit dem Koalitionsvertrag der Ampel einen queerpolitischen Zeitenwechsel eingeläutet. Nach 16 Jahren Blockade durch die Union dürfen wir uns z.B. darauf freuen, dass das Transsexuellengesetz der Vergangenheit angehören wird, eine Verantwortungsgemeinschaft eingeführt wird und mit dem ersten Queer-Beauftragten in der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, queere Rechte an oberster Stelle angesiedelt sind. Aber Queerpolitik und der Kampf um eine vielfältigen und bunte Gesellschaft spielt für uns nicht nur im Bund eine große Rolle. Auch hier in NRW haben wir noch einiges zu tun. Als LAG Queer haben wir das Programm über unsere Anträge mit gestalten können.

Hier einige Punkte, die unser Wahlprogramm in queerpolitischer Weise bereichern:

Queere Jugendzentren sichern und ausbauen

Wir wollen queere Jugendarbeit nachhaltig fördern. Hier wollen wir ein besonderes Augenmerk auf die ländlichen Räume legen und eine Intersektionalität legen. Die Arbeit von Queeren Zentren und Jugendzentren muss überregional
gedacht und im Landesförderplan langfristig abgesichert werden, da diese einen Anzugspunkt für queere Menschen in den Regionen bilden.

Regenbogenfamilien unterstützen

Familie ist für uns dort, wo Kinder sind oder Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Egal ob Mutter-Vater-Kind Familie, lesbische Mütter, schwule Väter, trans-, inter- und Regenbogeneltern mit Kinderwunsch – Familien in NRW sind vielfältig und bunt. Und so vielfältig sind auch die Fragen, mit denen Regenbogenfamilien konfrontiert sind. Dabei brauchen Regenbogenfamilien eine fachkundige Beratung und Begleitung durch geschulte Menschen, denen die verschiedensten Familienkonstellationen samt den rechtlichen Hürden vertraut sind und die vorbehaltlos Hilfestellung geben können. Deswegen ist eine „Landeskoordinationsstelle Regenbogenfamilien“ dauerhaft zu garantieren und personell angemessen auszustatten. Immer noch erfahren Regenbogenfamilien Ausgrenzung. Deswegen braucht es eine Koordination von Fort- und Weiterbildungen von Mitarbeiterinnen in Behörden und Familienberatungsstellen.

Schulen zu Orten ohne Diskriminierung machen

Rassismus, Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind Realität im Alltag vieler Menschen, auf der Straße, im Netz und in Institutionen. Sie machen deshalb vor unseren Schulen keinen Halt. Deswegen müssen Schüler*innen und Lehrkräften für Hass, Hetze und sexualisierte Gewalt gerade im Netz sensibilisiert werden. Und noch immer beeinflussen rassistische Zuschreibungen die Bildungschancen junger Menschen. Wir verstehen Vielfalt und Mehrsprachigkeit als Chance und Potenzial, das wir ausschöpfen wollen. Wir wollen deshalb Demokratiebildung, Sensibilität für Formen und Auswirkungen von Diskriminierung und rassismuskritische Aufklärungsarbeit in den Schulen des Landes verbindlich etablieren und fördern. Wir werden dementsprechende Inhalte in die Fort- und Weiterbildungsplanung aufnehmen. Das schulische Personal soll dabei durch regelmäßige Fortbildungen und Handreichungen in ihrer Handlungssicherheit
unterstützt werden. Dazu gehört auch eine geschlechtersensible Sprache. Programme wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ und “Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie” und andere Antidiskriminierungsprogramme und Programme, die die gesellschaftliche Vielfalt fördern, werden wir ausbauen und an strengere und umfangreichere Kriterien binden, welche Rassismus und Diskriminierung nachhaltig entgegenwirken. In den Lehrplänen und Schulbüchern werden wir rassismuskritische Inhalte und die Aufarbeitung der deutschen und europäischen Kolonialgeschichte stärker verankern. Wir werden den kritischen Umgang mit sozialen Medien und deren Inhalten zum Bestandteil der Lehrpläne machen. Zudem werden wir die Diversität der Gesellschaft in den schulischen Inhalten verankern. Politische Bildung muss insgesamt europa- und friedenspolitische Kompetenz fördern und globale Konfliktlagen, die auch Zuwanderungsbiografien prägen, berücksichtigen. Wir wirken der Stigmatisierung und Diskriminierung geschlechtlicher und sexueller Minderheiten entgegen und werden dazu auch die Lehrpläne überarbeiten. Dazu gehört auch ein diskriminierungsfreier Sexualkundeunterricht.

Zentren für sexuelle Gesundheit

Sexuelle Gesundheit ist komplex und oft mit Berührungsängsten verbunden. Deshalb werden wir uns für interdisziplinäre Zentren für sexuelle Gesundheit einsetzen. Diese sollen den gesamten Bereich der sexuellen Gesundheit abdecken, von der Testung sexuell übertragbarer Krankheiten, bis hin zu Beratungs- und Bildungsangeboten, zum Beispiel über Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbrüche. Zur Bildung solcher Zentren sollen bereits bestehende Strukturen genutzt werden. Die Zusammenarbeit von Kliniken, Aidshilfen, den Gesundheitsämtern und anderen Initiativen, Vereinen und Verbänden, die sich bereits mit sexueller Gesundheit beschäftigen, stärken wir durch eine planungssichere staatliche Förderung.

Gemeinsam gegen Diskriminierung: Antidiskriminierungsgesetz
einführen und Antidiskriminierungsarbeit ausweiten

Jeder Mensch ist unterschiedlich, das macht unser Zusammenleben interessant und dynamisch. Wir wollen eine Gesellschaft, in der sich alle Menschen mit Selbstvertrauen und ohne Angst entfalten können. Die Chancen in unserem Land sind aber immer noch nicht gleich verteilt. Immer noch erleben Menschen wegen ihres Namens, aufgrund einer rassistischen Zuschreibung ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität, aufgrund einer Behinderung oder ihrer sozialen Herkunft Diskriminierungen am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche oder in der Freizeit. Oft werden Menschen aufgrund mehrerer Merkmale diskriminiert und manchmal führt eine Benachteiligung zu weiteren. Benachteiligungen gibt es in vielen alltäglichen Lebensbereichen, wie in der Schule, Ausbildung oder bei Behördengängen. Diskriminierung in Institutionen und Behörden findet dabei nicht unbedingt als absichtsvolle Benachteiligung von Einzelpersonen statt, sondern hier spiegeln sich noch immer Stereotype und Vorurteile – bewusst oder unbewusst – wider. Diesen strukturellen Benachteiligungen werden wir mit mehreren Maßnahmen entgegenwirken.

Wir wollen es allen Menschen ermöglichen, Diskriminierungen in den Zuständigkeitsbereichen des Landes – wie etwa der Schule oder der Polizei – zu melden und gegen diese auch rechtlich vorzugehen. Die Möglichkeit für Betroffene, sich effektiv gegen erlebte Diskriminierung zu wehren, werden wir mit einer Landesantidiskriminierungsstelle und einem Landesantidiskriminierungsgesetz ausbauen. Indem wir ein Verbandsklagerecht einführen, können sich Betroffene auf Wunsch auch von ihren Verbänden vertreten lassen.

Gleichzeitig braucht es ein engmaschiges und niedrigschwelliges Unterstützungs- und Beratungsnetz für alle Formen von Diskriminierung. Die bisherigen Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit wollen wir deshalb flächendeckend
ausbauen. Eine Landesantidiskriminierungsstelle vertritt diese Servicestellen auf Landesebene und schafft innovative Wege, um die Bevölkerung über Diskriminierungsformen aufzuklären. Mit eigenen Studien soll die Landesantidiskriminierungsstelle Diskriminierung und strukturelle Benachteiligungen offenlegen und gleichzeitig Handlungsempfehlungen für die Antidiskriminierungspolitik in NRW erarbeiten.

Queeres Leben in NRW – selbstbestimmt und diskriminierungsfrei

Wir streiten seit unserer Gründung dafür, dass Lesben, Schwule, bisexuelle, trans, inter, nicht binäre und queere Menschen (LSBTIQ) mit und ohne Fluchtgeschichte in NRW selbstbestimmt, ohne Ausgrenzung und Angst leben können. Vielfalt ist gelebter Alltag in unserem Land und die vielen CSDs und Pride Demonstrationen haben längst einen festen Platz in unserer Gesellschaft. Trotzdem gehören Ausgrenzung und Diskriminierung für viele queere Menschen zu ihren alltäglichen Erfahrungen. Deshalb werden wir Betroffenen und Verbänden das Recht geben, rechtlich gegen Diskriminierung vorzugehen. Das schreiben wir in einem Landesantidiskriminierungsgesetz fest. Wir stärken queeres Leben und die Vielfalt unserer Zivilgesellschaft, indem wir den „Aktionsplan für queeres Leben“ weiterentwickeln und konsequent umsetzen. Er sorgt für Gleichstellung durch Aufklärung, Bildung und Schutz, soll in allen Ministerien umgesetzt und als Querschnittaufgabe dauerhaft verankert werden. Wir bauen das Angebot von niedrigschwelliger und intersektionaler Beratung, Koordination, Kinder- und Jugendarbeit, Seniorinnenarbeit, psychosozialer Beratung und Selbsthilfegruppen aus und stärken es. Insbesondere auch jenseits der großen Städte wollen wir Angebote schaffen und bestehende finanziell absichern. Wir unterstützen das vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement der queeren Community und werden es auch langfristig finanziell besser unterstützen. Außerdem legen wir ein wirksames Konzept für die Bekämpfung von Hasskriminalität vor. Dazu gehören fachlich qualifizierte und lokal verankerte Kontaktstellen für LSBTIQ, die Opfer von Hasskriminalität und Gewalt geworden sind und verpflichtende Fortbildungen in der Polizei zur Sensibilisierung zu LSBTIQ-Themen und Hassverbrechen. Die Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung queerer Menschen in unserem Land werden wir aufarbeiten, Opfer entschädigen und Orte der Erinnerung schaffen.

Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten: dezentral, kommunal und humanitär

(…) Wir schaffen Schutzräume für Frauen, Kinder und queere Geflüchtete. (…)

Gewalt gegen Frauen und genderqueere Personen entschieden bekämpfen

(…) Dafür stärken wir das bestehende System der Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen, Notrufe und
Interventionsstellen. (…) Auch für genderqueere Personen wollen wir eine passgenaue Unterstützung
schaffen, die unter anderem durch separate Rückzugsräume und speziell geschultes
Personal gewährleistet wird. (…)

(….) Außerdem setzen wir bei Polizei und Justiz Schwerpunkte bei der effektiven Bekämpfung von Gewalttaten
gegen Frauen und queere Personen. Das beinhaltet schnelle Ermittlungen, schnelle Strafverfahren und eine bessere Bewertung von Risikofällen.